Mit diesem Text geht meine Sardinien-Reise ein zweites Mal zu Ende. Im vierten und letzten Teil geht es darum, wie die Insel, die Menschen und die Zeit für mich mein Denken und mein Handeln verändert hat. Es geht um abgelegte Eigenschaften, erneuerte Lieben und gewonnene Freiheiten. Also los, steig ein – und begleite mich bei der letzten Etappe auf der Reise zu mir selbst.
Entschleunigen auf Sardinien, was macht das mit mir? Solltest du meine Einleitung zu diesem etwas anderen, vierteiligen Sardinien-Reisebericht verpasst haben, kannst du in meinem Artikel 6 Monate entschleunigen auf Sardinien nachlesen, auf welches Experiment mein Mann und ich uns eingelassen haben…
Die Schatten beleuchten
Die wochenlange Abgeschiedenheit auf Sardinien inmitten der Natur, ist Balsam für meine Seele. Doch ich komme auch in Kontakt mit meinen dunkelsten Schatten. Da es keine Ablenkung von außen gibt, begegne ich ihnen ungefiltert – einigen das erste Mal auf Augenhöhe. Meine Devise: Innehalten statt ablenken. Akzeptieren statt Widerstand hegen. Hinschauen statt Wegschauen. Hier sind zwei weitere meiner Learnings aus sechs Monaten Sardinien – und mein Fazit:
/ Glaubenssatz
Ich bin der festen Überzeugung, dass es nie um eine Situation im Aussen geht. Sondern stattdessen nur um das Gefühl, das durch die Ereignisse oder Menschen ausgelöst wird. Auf Sardinien überkam mich nach ein paar Wochen, ein großes negatives Gefühl. Es wurde dadurch ausgelöst, dass ich mein Tempo verlangsamte.
Ein alter Glaubenssatz zeigte sich: „Du leistest nicht genug“ schrie es in meinem Kopf. Mein Ego wollte schnelle, messbare Ergebnisse. Ich merkte, wie sich ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch breit machte. Da war es also wieder. Es trat an die Oberfläche meiner Wahrnehmung und wollte meine Zuwendung.
Wie immer hatte ich zwei Möglichkeiten:
- Ablenken
- Hineinfühlen
Ich weiß, dass ein Gefühl nicht weggeht wenn es unterdrückt wird. Ich weiß aber auch, dass manche Gefühle schmerzen und gnadenlose Ehrlichkeit erfordern. Je größer ein negatives Gefühl, desto eher ist auch der Drang, es zu betäuben. Wir alle haben unsere Mechanismen oder Routinen in die wir automatisch verfallen, sobald es unangenehm wird.
Es sind nicht die äußeren Umstände,
die das Leben verändern,
sondern die inneren Veränderungen,
die sich im Leben äußern.
Mein Weg: Ich setzte mich in die Natur und verband mich mit diesem negativen Gefühl. Auch wenn es anfangs sehr unangenehm war, ließ ich es zu und fühlte es in jeder Zelle meines Körpers. Ich richtete meine Aufmerksamkeit nach innen und beobachtete, was es mit mir machte.
Ich kannte dieses Gefühl von früher. Es hatte mit meinem Vater zu tun. Ich wollte flüchten, stattdessen hielt ich es aus und blieb sitzen. Dann heulte ich zwei Stunden lang. Tränen sind wichtig, sie reinigen die Seele und gießen die Erde, auf der dann neue Blumen wachsen können. Diese bewusste und intensive Konfrontation mit meinem Glaubenssatz, löste eine weitere Schicht des dahinter liegenden Themas. Erst dann veränderte sich mein negatives Gefühl und wurde kleiner und Positiver.
Mein Learning: Ich bin auch ohne etwas zu leisten gut genug. Ich brauche kein Ergebnis, um stolz auf mich und meinen Weg sein zu können. Denn es ist genauso wertvoll, meine Gedanken nur in mir zu bewegen, anstatt sie sofort wild in die Tat umzusetzen. Mein Kopf weiß das schon lange. Mein Herz eigentlich auch. Doch auf Sardinien durfte ich diesen Glaubenssatz nochmal von einer anderen Seite anschauen und heilen.
Seit meiner Rückkehr bin ich entspannter mit mir selbst und meinem eigenen Leistungsanspruch geworden. Nach zwei intensiven Jahren – in denen ich Feine Seele und vieles drumherum und im Hintergrund aufgebaut habe – habe ich nun beruflich das Tempo reduziert. Ich kann meinen Weg sehen, feiern und stolz auf mich sein. Etwas, was ich früher nicht gut konnte. Auch vertraue ich mir viel mehr und vergleiche mich nicht mehr mit anderen.
/ Beziehung
Mein Mann und ich waren in diesen sechs Monaten jeden Tag 24 Stunden zusammen. Damit das gut klappt ist es wichtig, viel zu kommunizieren. Dadurch, dass wir keine Ablenkung von außen hatten, kamen bei jedem von uns alte Themen an die Oberfläche. Das kann für den Partner ungewohnt sein. Doch wir haben das gut gemeistert und lernten, noch schneller über unsere akuten Gefühlslagen und Bedürfnisse zu sprechen. Schließlich kann niemand hellsehen. Das wussten wir zwar schon vorher, in der Einöde jedoch, bekam es nochmal eine ganz andere Bedeutung.
Jeden Morgen hatten wir ein schönes Morgenritual: Wir saßen gemeinsam in der Sonne mit unserem Kaffee und schauten schweigend auf das Meer: Wir waren dankbar, diesen wunderschönen Moment teilen zu können. Auch ohne Worte. Seit der Reise halten wir häufiger mal inne und genießen noch bewusster schweigend den Moment. Wir reisen immer schon viel. Doch während die meisten Reisen im Alltag schnell verblassten, ist diese Reise nachhaltig. Denn unsere Verhaltensmuster haben sich dauerhaft verändert. Obwohl wir seit 15 Jahren zusammen sind, haben wir neue Anteile an uns kennengelernt – und sind noch enger zusammengewachsen.
Wenn man soviel Zeit am Stück gemeinsam verbringt, ist es ebenso wichtig, Zeit allein mit sich selbst zu verbringen. Wir haben gelernt, uns noch besser abzugrenzen und dass eine Sehnsucht nach dem Alleinsein keine Flucht vor dem anderen ist. Nur wenn wir beide uns gut um uns selbst kümmern, sind wir ein starkes Team.So stärken wir unser eigenes Ich und inspirieren uns dann gegenseitig. Wir sind stolz: All dies geht auch auf engem Raum. Auch ohne Ablenkung, wird es nie langweilig.
Nach dieser langen Reise, hat jeder von uns erstmal Zeit für sich gebraucht und ist für ein paar Wochen ganz alleine weggefahren. Schön ist: Wir können diese Bedürfnisse äußern und uns die Freiräume auch geben und nehmen. Noch etwas habe ich bemerkt: Unsere Erwartungshaltungen an den anderen haben nachgelassen. Wir können Nein sagen, ohne dass der andere sich doof fühlt. Und da ich mich selbst noch besser spüre, fällt es mir auch noch viel leichter, meinen Mann und seine Bedürfnisse besser wahrzunehmen.
Fazit:
Ich habe meine alte Sehnsucht nach langen Reisen wieder entdeckt: Als kleiner Vagabund im Herzen hätte ich noch drei Jahre weiter reisen können. Außer Freunden und Familie (und meinem Smoothie-Mixer) habe ich nichts vermisst. Weder die Möglichkeiten in Hamburg, noch unsere Wohnung. Ich hänge noch viel weniger an materiellen Dingen und brauche auch nicht mehr viel. All unsere kleinen Fluchten und großen Reisen, sind also nach wie vor ein wichtiger Teil unserer Beziehung.
Diese Reise hat mich auf so vielen Ebenen bereichert: Sie hat die Beziehung zu mir selbst, zu meinem Mann und anderen Menschen vertieft. Denn es entstehen viel schönere Verbindungen zu den Menschen, wenn ich sie nicht in Schubladen stecke und ihnen Zeit schenke. Wenn ich beim Bezahlen wirklich in die Augen schaue, anstatt gehetzt meine sieben Sachen zusammen zu packen. Wenn ich unerwartet Danke sage oder ein Ohr schenke. Wenn ich die komisch aussehende Yogalehrerin die mich auf Streckbänke schnürt, so dass ich nur noch schreien möchte, nicht bewerte und stattdessen mein Herz für die neue Erfahrung öffne. Oder wenn ich dem Nachbarn helfe, mit meinem klapprigen Fahrrad die drei entlaufenen Pferde einzutreiben, obwohl es gerade regnet. Echte Nähe entsteht nicht durch räumliche Nähe.
Auch das simple Leben hat es uns angetan. Seit der Reise nutzen wir nur noch einen Bruchteil unserer – eh schon wenigen – Dinge. Ich kann sowohl Gedanken, als auch Dinge besser loslassen. Und bin demütiger geworden, wie gut es uns hier in Deutschland geht. Mein Blick für das, was wirklich wichtig ist im Leben, hat sich geschärft. Mir ist bewusst geworden, dass ich so wenig Zeit wie möglich mit technischen Spielereien vergeuden möchte. Denn jeder Moment – gerade der mit echten Menschen – ist viel zu wertvoll, um ihn einfach so an sich vorbei ziehen zu lassen: Nur weil man gerade aufs Handy glotzt oder gedanklich schon beim nächsten Termin ist. Meine Zeit am Handy habe ich seit Sardinien nochmal drastisch reduziert. Und statt vom Handy lassen wir uns jetzt – ganz oldschool – wieder vom guten alten Wecker wecken.
Und noch etwas habe ich auf Sardinien gelernt: Auch für mein Business entstehen viel wertvollere Inhalte, wenn ich all meine Konzepte und Ideen immer mal wieder loslasse. Wenn ich mir erlaube, sie fließen zu lassen – anstatt sie festzuhalten. Wenn ich mich davon frei mache, viel leisten zu müssen und stattdessen Dinge mit Muße tue. Wenn ich Gedanken und Ideen Zeit gebe, sich zu festigen. Und wenn ich meiner Kreativität Raum gebe, sich zu entfalten.
Das Resultat: Ich fühle mich großartig und habe viele kleine Veränderungen und neue Routinen in mein Leben gebracht. Doch das alles ganz entspannt und ohne Druck. Schritt für Schritt. Eins nach dem anderen. Ich spüre mehr Leichtigkeit und meine Energie fließt besser: Negative Verstimmungen habe ich nur noch sehr selten.
Danke Sardinien
Rückblickend kann ich sagen, dass diese Reise in vielerlei Hinsicht ein Geschenk war. Ich bin unendlich dankbar für diese Erfahrung und eines ist sicher: Sardinien, ich komme wieder. Und es wäre toll, wenn auch andere Menschen diese Erfahrung teilen können, die ich auf der wunderschönen Insel gemacht habe. Darum weiche ich heute mal ein wenig von meinem Grundsatz ab. Wie Du weißt, mache ich normalerweise keine Werbung auf diesem Blog. Doch für meine Freunde Anna und Gianni mache ich gerne eine (unbezahlte) Ausnahme. Denn ich kenne wenig Menschen, die so viel Liebe und Herzblut in ihr Projekt stecken, wie die Beiden. Solltest du also Lust bekommen haben, auch mal nach Sardinien zu reisen: Schau mal bei Casa-Orosei vorbei. Bei 23 liebevoll eingerichteten Ferienhäusern ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Danke für deine Zeit, diesen sehr persönlichen Reisebericht zu lesen.
Alle Folgen meines etwas anderen Sardinien Reiseberichts im Überblick:
Einleitung: 6 Monate entschleunigen auf Sardinien – ein Experiment
Erste Folge: Minimalismus und Intuition
Zweite Folge: Langsamkeit und Kompass
Dritte Folge: Glaubenssatz und Beziehung + Fazit
Eine Reise zu dir selbst – auch was für dich? Erzähle mir doch von deinen Erfahrungen in den Kommentaren. Und solltest du jemanden kennen, den das Thema auch interessieren könnte – ich würde mich riesig freuen, wenn du diesen Artikel teilst. Von Herz zu Herz.
Fotos: Stefanie Adam
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