Authentisch sein – wie geht das eigentlich genau? Diese drei Schritte geben Mut und unterstützen dabei, die eigenen Masken Stück für Stück fallen zu lassen.
Ich war der Familienclown – immer einen Spruch parat. Sowohl in Guten, als auch in schweren Zeiten war ich diejenige, die alle aufheiterte. Letzteres gab viel in meiner Familie. Ich hatte einen großen Freundeskreis und war beliebt. Andere beschrieben mich als immer gut gelaunt und aufgeschlossen. Was sie jedoch nicht sahen: Ich trug viele verschiedene Masken. Dahinter verbarg sich ein verletztes Kind, das Anerkennung und Liebe sucht. Nie im Leben hätte mein Umfeld gedacht, dass auch ich mal einsam bin. Oder sensibel und introvertiert. Wie denn auch, ich habe alles überspielt…
Authentisch sein und authentisch leben
Überall hört oder liest man von diesem Wort, das so schwer auszusprechen ist: Authentizität. Doch was ist das eigentlich genau? Wie wird man authentisch und legt die eigenen Masken ab? Die folgende Aufzählung zeigt ein paar Möglichkeiten auf, authentisch zu leben – für mich bedeutet es:
- All seine Gefühle auszudrücken
- Nein zu sagen, anstatt aus Höflichkeit Ja
- Verletzlichkeit zu zeigen und zuzulassen
- Eine vermeintliche Schwäche als Stärke erkennen
- Sich nicht für andere zu verbiegen
- Keine Angst davor zu haben, abgelehnt zu werden
- Seinen eigenen Weg – und nicht den der Eltern – zu gehen
- Die eigene Wahrheit zu sprechen, anstatt anderen nach dem Mund zu reden
- Traurigkeit zuzulassen und diese auch öffentlich zu zeigen
- Nicht immer funktionieren zu müssen
- Auch mal keine Antwort oder Lösung zu wissen
- Öfter mal die Kontrolle abzugeben und loszulassen
- Sich so anzunehmen, wie man bist – mit allen Ecken und Kanten
- Mitgefühl für sich selbst zu haben
- Eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt das Leben entscheiden zu lassen
- Sich abzugrenzen, wenn man selbst Raum benötigt
- Ehrlich und respektvoll zu sagen, was man denkt
- Sich zu erlauben, Pausen zu machen
- Der Freude zu folgen
Eine Reise zu sich selbst
Es gibt keinen magischen Schalter, auf dem Weg zu mehr Authentizität. Kann es auch gar nicht, denn dies ist eine individuelle Reise. Vielleicht die wichtigste Reise überhaupt – eine Reise zu sich selbst. Vielleicht führt sie dich ins Unbekannte – über holprige Pisten und Schlechtwettergebiete. Doch je länger sie andauert, desto selbstsicherer wirst du auf dem Weg, desto weniger Angst macht sie, desto schöner werden das Wetter und die Landschaft und desto weniger Gepäck brauchst du. Klingt doch wunderbar, oder?
3 Schritte zu mehr Authentizität
Um noch authentischer zu sein, ist es wichtig, sich darüber bewusst zu werden, wo man es vielleicht noch nicht bist. Das geht am besten ohne Ablenkung und in Stille. Wenn du magst, schnappe dir jetzt Zettel und Stift. Lasse deine letzten Tage Revue passieren und schreibe alle Situationen, Treffen oder Begegnungen auf, bei denen du nicht zu Hundertprozent echt warst. Wo hast du eine Rolle gespielt? Wann hast du Ja gesagt, obwohl du eigentlich Nein meintest? In welchen Situationen hast du gelacht, obwohl du traurig warst. Wann hast du „Mir geht es gut“ gesagt, obwohl du dich alleine gefühlt hast.
Auf dieser Reise geht es nicht ums Bewerten. Sondern darum, all deine Anteile zu integrieren und dich mit all deinen Emotionen anzunehmen. Nur so lösen sich eventuelle Widerstände auf. Aus dieser neutralen Energie heraus, kannst du deinen Fokus verändern. Zum Beispiel noch mehr in Richtung Wertschätzung, Ehrlichkeit, Selbstliebe oder Mitgefühl. Diese drei Schritte unterstützen dich auf deinem Weg zu dir selbst:
/ Hole andere ins Boot
Niemand kann Hellsehen. Klar, manchmal wünschen wir uns das. Doch die Realität sieht anders aus. Willst du von anderen verstanden und gesehen werden, ist der erste Schritt deine Kommunikation. Schraube alle Erwartungen herunter und hole Mitmenschen an Board. Teile ihnen zum Beispiel mit, dass du dich gerade in einem intensiven Prozess mit dir selbst befindest. Bitte um Verständnis, solltest du mal überreagieren oder dich anders verhalten als sie es von dir kennen. Erkläre ihnen, dass du dich in den nächsten Wochen sehr viel selbst beobachten willst und deine Aufmerksamkeit daher öfter mal von außen nach innen verlagerst. Und dass es nichts mit ihnen zu tun hat, solltest du mal abwesend wirken.
Sagst du deinem Umfeld, was gerade bei dir los ist, wirst du es viel leichter haben, verstanden oder gesehen zu werden. Andere haben so die Chance, Rücksicht auf dich zu nehmen, dich zu unterstützen oder auf dich zuzugehen. Und andere werden dein Verhalten nicht so schnell persönlich nehmen, was dir viel inneren Stress erspart. Sollte es dir schwerfallen dich abzugrenzen, vereinbart doch einfach ein Codewort, mit dessen Hilfe du dich zurückziehen kannst.
/ Suche einen Komplizen
Natürlich können wir fast alles irgendwie alleine schaffen. Doch das sollte nicht das Ziel sein. Für mich geht es im Leben darum, die Liebe zu teilen. Um authentischer zu leben, alte Verhaltensmuster zu durchbrechen oder sich selbst zu erforschen, bedarf es – gerade in der Anfangszeit – ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Eine neue Sprache lernt man schließlich auch nicht an einem Tag.
Daher mein Tipp: Suche dir einen Komplizen – einen Soulbuddy, der dich auf deiner Reise unterstützt. Der dich erinnert, wenn du doch mal wieder das alte Muster bedient hast. Der dich spiegelt und dir liebevolle Arschtritte gibt. Der dir Mut macht weiterzugehen, wenn der Rand deiner Komfortzone erschreckend nah rückt. Der dich regelmäßig anruft um Fortschritte zu besprechen. Und der dir eine mentale Stütze ist und dich aufbaut, wenn du an dir selbst zweifelst.
Das kann ein Freund, die Familie, ein Partner, Coach oder Fremder sein – wichtig ist, dass du demjenigen vertraust. Mit Hilfe eines Komplizen lernst du auch, dir selbst gegenüber verbindlich zu sein. Und dich an das, was du sagst, auch zu halten. Du lernst, dir selbst zu vertrauen und einfach mal zu machen, anstatt vielleicht nur darüber nachzudenken und still zu stehen. All das stärkt dein Selbstbewusstsein. Solltest dir niemand einfallen, der diese Rolle übernehmen kann, denke nochmal darüber nach und ziehe auch nicht ganz so nahstehende in Betracht. Für die meisten Menschen ist es keine Belastung. Im Gegenteil, sie fühlen sich geehrt, wenn du danach fragst.
/ Habe 20 Sekunden Mut
20 Sekunden Mut. Das ist alles was du brauchst, um deine Masken abzulegen. 20 Sekunden, die darüber entscheiden, ob du dir selbst treu bleibst, oder dich anpasst. Ob du deinen eigenen Weg, oder den der anderen, gehst. Ob du echt bist oder eine Rolle spielst. Diese Zeitspanne wird dir anfangs vielleicht wie eine halbe Ewigkeit vorkommen. Doch je öfter du dich traust, authentisch zu sein und diese 20 Sekunden Mut aufbringst, desto schwerer wird es dir fallen, es nicht mehr zu tun. Und desto mehr trainierst du deinen Authentizitäts-Muskel. Es sind also 20 Sekunden, die dein Leben verändern können und hey, was sind schon 20 Sekunden?
Authentisch leben und frei sein
Ich habe mich in meinem Leben bereits dreimal neu erfunden. Das war für mein Umfeld nicht immer leicht. Denn jedes Mal habe ich mich stark verändert. Sei daher mitfühlend: Deine Reise zu dir selbst wird Menschen verunsichern oder abschrecken. Gerade für diejenigen, die dich lange kennen, kann es ungewohnt sein, dich nicht mehr so leicht einordnen zu können. Auch sie müssen ihre Rolle, in eurem gemeinsamen Schauspiel, erst wieder neu finden. Habe also Verständnis, sollte es mal zu kleinen Unstimmigkeiten kommen. Lasse dich jedoch nicht davon abhalten, weiter deinen authentischen Weg zu gehen.
Auch meine Reise zu mir selbst war kein Kurztrip. Doch keine andere Reise hat mich so glücklich und frei gemacht wie diese. Auf keiner anderen Reise habe ich so viel über mich selbst gelernt. Und keine andere Reise war so nachhaltig. Ja, auf keiner anderen Reise hatte ich so viel Angst, doch die Angst ist nur so lange bedrohlich, bis du dich näher mit ihr beschäftigst. Also runter mit den Masken – nutze deine Superkraft.
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Wie steht es mir dir: Maskerade oder Authentizität?
Foto: Arvin Febry